palette der möglichkeiten



von gross bis klein

mammuth bäume

Anja Weinberg

hat 2013 in der traditionsreichen Metallverhüttung Berzelius in Stolberg/Aachen eine bemerkenswerte Kunstaktion durchgeführt. Diese Arbeit steht exemplarisch für das Engagement der Künstlerin und wird daher besonders hervorgehoben.

Ground zero


 

In Stolberg mussten auf dem Betriebsgelände der Hütte aus Sicherheitsgründen drei Mammutbäume entfernt werden. Ihr Standort war zentral, gleich neben dem Haupteingang sowie dem Bürogebäude und den sozialen Räumen. Jedoch sollten diese mächtigen Bäume nicht einfach verschwinden, sondern im Kern erhalten bleiben und einer neuen Gestalt zugeführt werden. Es bot sich deshalb an, die Bäume in Kunstwerke zu verwandeln, die idealerweise die Menschen in ihrem Arbeitsumfeld darstellen sollten. Eingebettet in einen kleinen Garten, der die Pflanzenwelt von Eifel und Hohem Venn wiedergibt, wurde das Projekt letztlich zum landschaftsgestalterischen Gesamtkunstwerk. 


Projekt

 

Bei diesem Projekt traten drei Inspriationsquellen der Künstlerin besonders hervor: Das Material, der Mensch und die Kreativität - immer wieder in harmonischer Weise zusammen fließend:

Verschiedenste Materialien und Techniken kommen bei Anja Weinberg zum Einsatz: Sie arbeitet mit Bleistift, Acryl, Papier, Stoff oder auch Wachs. 



 

Sie zeichnet, malt und experimentiert mit diversen Drucktechniken. Besondere Bedeutung hat jedoch der Werkstoff Holz. Dieses Material scheint der Künstlerin auf den Leib geschnitten zu sein. Durch den kreativern Prozeß gibt sie dem nun toten Stoff ein neues Leben. Sie fertigt Bilder, Reliefs und ganze Skulturen aus Holz, groß und klein. Die Ideen für diese Arbeiten scheinen dem Material selbst zu entspringen, ja zu entwachsen. Der Baum wird quasi als Skulptur wiedergeboren.

Zwar dient Holz als Rohstoff für die Bildhauerei, doch kommen auch hier alle möglichen Materialien zum Einsatz: Die Grundlage bildet Holz, bemalt mit Acrylfarbe, welche mit Wachs endbehandelt und eingebrannt wird. 


malerei auf skulptur


identitäten



 

Hier wird u.a. das Forschungsthema der Künstlerin ‚Formation und Reformation‘ unterstrichen, indem das unbearbeitete Holz als Sockel dient, auf dem sich die bearbeitete Figur entfaltet.

 

Der Mensch ist das zentrale Thema der Künstlerin. Immer wieder erscheint er aufgrund intensiver Beobachtung und philosophischer Analyse in ihren Arbeiten. Basis der Darstellung ist häufig ein Photo und ein individueller Gedankengang. Dem folgt die Vertiefung in den kreativen Prozeß, die Hingabe an den Arbeitsfluß. Sodann überläßt sich die Künstlerin dem kreativen Prozeß, in den stets ihre grundlegenden Themen einfließen: Liebe und Haß, Glück und Trauer, Freude und Schmerz. Anreiz ist die Erkundung der menschlichen Psyche, die Entdeckung der Geheimnisse menschlicher Existenz. Dieses Interesse macht die Künstlerin zu einer begnadeten Portraitistin. „Gesichter fallen mir am leichtesten“, behauptet Weinberg von sich selbst. 


 



Der Mensch ist das große Thema im Leben und der Kunst von Anja Weinberg. Dies wird in dem Stolberger Projekt besonders deutlich. Hier wurden Menschen durch die Kunst mit ihrer Tätigkeit in Verbindung gesetzt, mit sich selbst, ihrem täglichen Arbeitsumfeld und ihrem Privatleben.Dargestellt wurde eine Familie mit Vater, Mutter und Kind. Jede Person hält eine Metallkugel in Händen, daher lautet der Name des Ensembles „Blei-Silber-Gold“. Diese Materialien werden im Betrieb verarbeitet. Sie bilden auf der einen Seite die Existenzgrundlage der Belegschaft und stehen als Symbol für den alchemistischen Prozeß der Transformation, physisch und psychisch.   

 Anja Weinberg will nicht nur mit der von ihr selbst geschaffenen Kunst begeistern, sondern fordert andere Menschen im Rahmen einer Lehrtätigkeit zur selbständigen kreativen Arbeit auf. Sie will andere mit dem ‚Virus Schaffenskraft‘ infizieren und neue Gedankengänge anstoßen. Zu dem Stolberger Projekt sagt die Künstlerin: "Es war mein Wunsch und mein Ziel, die Belegschaft mitzunehmen in diesen Prozeß. Und es war eine Herausforderung, sie zu emotionalisieren und für die Kunst zu begeistern.“ Das gilt ebenfalls für alle anderen Projekte der Künstlerin.

Die derzeitige Ausstellung findet im Bankensektor statt. Hier spielen Zahlen, Finanzen und Wirtschaft eine Hauptrolle. Anja Weinberg bezeichnet die Kunst als eine geistige ‚Bank‘, ein Reservoir der Kultur und des seelischen Wohlbefindens. Sie betrachtet es als Aufgabe, ja geradezu als Verpflichtung, mit der Kunst zu den ökonomischen Aspekten des Lebens einen schwergewichtigen Kontrapunkt zu setzen.

Ursula Lytton Kunsthistorikerin